Seit gestern (10.12.2025) gehört die italienische Küche zum Weltkulturerbe. Auf ihrer 20. Sitzung in Neu-Delhi entschied die UNESCO, die cucina italiana auf die Liste der schützenswerten immateriellen Kulturgüter aufzunehmen. Nicht einzelne Gerichte oder typisch italienische Zutaten werden damit geehrt, sondern genauer gesagt die italienische Küche zwischen Nachhaltigkeit und biokultureller Vielfalt, so jedenfalls die Bewerbung. Es geht nicht nur um das, was nach dem Kochen auf dem Tisch steht, sondern auch um das Kochen selbst, den (gemeinsamen) Verzehr nach dem Kochen und den sozialen Zusammenhalt, den die italienische Küche den Italienern gibt. Wir dürfen nicht vergessen, dass man das Essen in Italien sehr viel höher hängt als in Deutschland, worüber man sich auch als Tourist mit einem Blick in die Kochen-Abteilung eines italienischen Buchgeschäfts vergewissen kann.
Die Initiative für die italienische Bewerbung ging wohl von der renommierten italienischen Kochzeitschrift La cucina italiana aus. Angeschoben haben das Projekt auch die Accademia della Cucina Italiana, Slow Food, die Stiftung Casa Artusi, das italienische Landwirtschaftsministerium und viele andere Organisationen und Einzelpersonen. Und nach fünfjähriger Vorarbeit ist es nun geschafft.
Mit der cucina italiana wurde erstmals eine Küche in ihrer Gesamtheit geehrt. Bisherige Aufnahmen mit kulinarischem Bezug auf die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste bezogen sich immer auf einen Teilaspekt. Beispielsweise lag bei der bereits 2010 erfolgten Anerkennung des französischen Gourmetessens der Schwerpunkt auf dem Ritual des Essens und insbesondere auf der traditionellen Unterteilung in Gänge und der Sorgfalt bei der Zubereitung der Gerichte und der Tischdekoration. Für einen Teilaspekt seiner Küche ist Italien übrigens schon 2017 geehrt worden, als die pizzaiuoli Neapels auf die UNESCO-Liste aufgenommen wurden. Die Würdigung galt also nicht der Pizza als solcher, sondern der Kunstfertigkeit der Pizzabäcker.
Was aber hat diese Ehrung nun – außer Stolz – für Konsequenzen? Die Website Centro-Italia mutmaßt: “Die Anerkennung bringt keine unmittelbaren Gesetze oder Verbote mit sich, wohl aber Schutz: gegen Kommerzialisierung, gegen Standardisierung, gegen kulturelle Entfremdung.”{{1}} Dies hoffen auch wir, bleiben aber ein wenig skeptisch. Der italienische Unternehmerverband Fiepet Confesercenti hat die wirtschaftlichen Folgen bereits berechnet: Danach führe die Aufnahme auf die UNESCO-Liste dazu, dass allein in den nächsten zwei Jahren 18 Millionen zusätzliche Touristen nach Italien reisen werden.{{2}} Touristen, die dort unter anderem essen und trinken werden – 2024 beliefen sich die Ausgaben ausländischer Touristen in Bars und Restaurants bereits auf 12,08 Milliarden Euro.
Entscheidender als der volkswirtschaftlich Faktor der vorausgesagten Besucherströme ist meines Erachtens, was diese essen werden. Anders gesagt: Ob wirklich die Gesamtheit der italienischen Küche von der Anerkennung durch die UNESCO profitieren wird. In vielen gestern und heute veröffentlichten Artikeln der Presseorgane wird zwar betont, dass die italienische Küche viele Regionalküchen mit sehr unterschiedlichen Speisen kenne, doch typisch der Untertitel in der Zeit: “Pizza, Pasta, Tiramisu: Die Unesco würdigt die kulturelle Bedeutung von Kochen und Essen in Italien.”{{3}} Nein, liebe Zeit: Pizza, Pasta und Tiramiù sind zwar lecker, aber eben nicht die italienische Küche. Und zu hoffen ist, dass die prognostizierten zusätzlichen 18 Millionen Italien-Besucher dies merken werden und der Hype um die italienische Küche nicht zu weiteren der italienischen Küche abträglichen Kuriositäten führen wird: die Pizza alla Nutella kennen wir schon – kommt jetzt die Pizza mit Dubai-Schokolade? Wir hoffen auf die Bereitschaft, die italienische Küche in ihrer gesamten Breite wahrzunehmen.
Eine Liste mit weiteren Einträgen auf die Liste der immateriellen Kulturhüter mit kulinarischem Bezug sowie eine Liste von italienischen Einträgen mit nicht-kulinarischem Bezug findet man auf La cucina italiana.
Zur Vertiefung empehlen wir unsere Artikel
Regionale Küchen Italiens
Wie italienisch ist die italienische Küche?
Ist authentisch italienisch Kochen politisch rechts?
Woran erkennt man einen guten “Italiener”?
No-Gos der italienischen Küche
Authentizität in der italienischen Küche
[[1]] https://centro-italia.de/gazzetta/wissen/italienische-kueche-unesco-weltkulturerbe/ (Letzter Zugriff: 11.12.25)[[1]]
[[2]] Vgl. https://www.lacucinaitaliana.it/article/cucina-italiana-patrimonio-unesco-fiep-almeno-18-milioni-di-turisti-in-piu/ (Letzter Zugriff: 11.12.25)[[2]]
[[3]] Vgl. https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2025-12/unesco-italienische-kueche-immaterielles-erbe-gxe (Letzter Zugriff: 11.12.25)[[3]]
Ein Sieg der Vernunft, der Kultur und der Liebe zum Leben!
Matta, Du hast mit Deinem Team einen großen Anteil an diesem Erfolg – und der wird steigen; denn nur im Bewusstsein der auch und gerade von Dir authentisch gepflegten Originalität, kann dieser Schutz funktionieren.
Solange es immer wieder Leute gibt, die mit ihrem “Aber das ist doch auch sehr lecker! oder “Ich mache das Basilikum erst am Schluss in die Tomatensauce.”, wird es wichtig sein, nicht etwa darzustellen, was auch geht”, sondern was authentisch italienisch ist. Etwas zu erhalten, weil es erhaltenswert ist, gewinnt in einer Zeit an Bedeutung, wo immer weniger Menschen mit echter und guter Küche – und nicht nur italienischer – aufwachsen. Mit diesem Entscheid der UNESCO wird es hoffentlich immer weniger Menschen geben, die “Bolo aus der Dose” für italienisch halten.
Wir danken Dir für Deinen moralischen und ideellen Beitrag zu diesem Erfolg einer Küche, die man lieben muss!
Einer Deiner begeisterten Förderer – Uwe aus Mexiko!